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Arbeitsgruppe Erinnern wider das Vergessen:

Geschichte von Hammerfest

Die Geschichte von Hammerfest

Mittelalter bis April 1940: Die Entwicklung des Hafens am Eismeer

April 1940 bis Oktober 1944: Krieg und Besetzung

Oktober 1944 bis Mai 1945: Vertreibung und Zerstörung

Mai 1945 bis heute: Wiederaufbau und Ausblick

Arnulf Olsen: Kurz-Biographie

 

Die Geschichte von Hammerfest

mit Schwerpunkt auf der Besetzung und Zerstörung der Stadt durch die deutsche Wehrmacht 1940 bis 1945

Vortrag 1997 von Arnulf Olsen, Hammerfest

Mittelalter bis April 1940: Die Entwicklung des Hafens am Eismeer

Hammerfest, die nördlichste Stadt der Welt, liegt auf 70°39'48" nördlicher Breite westlich vom Nordkap auf dem Dach Europas. Sowohl Hammerfest als auch das Nordkap werden jährlich von tausenden Touristen besucht, wobei die deutschen Touristen in der Überzahl sind.

1914 feierte Norwegen sein 100jähriges Bestehen als selbständiger Staat. Hammerfest war in dieser Zeit zu einem Kirchen- und Handelsort mit Stadtrechten gewachsen. Von etwa 90 Einwohnern im Jahre 1814 waren es bis 1914 immerhin 3.000 Einwohner geworden. Hammerfest lag als einzige Stadt zwischen Tromsø (südlich) und Vardø (östlich) und hatte deswegen ein großes geografisches Gebiet zu betreuen.

Hier hatte man große Handelshäuser: Robertsen, Feddersen & Nissen, Fickenhagen, Tiberg, Hauan und so weiter, welche die Produkte der Umgebung im Inland sowie im Ausland verkauften. Die Produkte, die man nicht selbst herstellen konnte, bekam man aus dem Umland. Somit war Hammerfest das ökonomische Zentrum und lebte in guter Harmonie zusammen mit den umliegenden Gebieten.

Das wichtigste in der Ökonomie waren Fischerei und der Fang im Eismeer. Das Meer, der Hafen und die gute Lage zum Eismeer sind die Basis für die Stadt. In den Jahren 1908 bis 1916 lieferte eine unterschiedlich hohe Zahl von Fischern (etwa 1.700 bis 3.000) ihren Fisch in den Sommermonaten nach Hammerfest, und das war sehr erfreulich, denn es gab sowohl Arbeit wie auch Verdienst.

Nicht vergessen werden darf der Pomorenhandel (Tauschhandel mit Russen). Der dänische König Christian VII gab Hammerfest (und Vardø) Stadtrechte am 17.Juli 1789. Bestehende Handelsmonopole hatten nicht den Erwartungen versprochen, und deswegen ging man nun den anderen Weg, um die Zusammenarbeit mit den Russen zu fördern. Dies dauerte bis zur Revolution 1917. Hammerfest war die Handelsstadt im Norden.

Durch den Kontakt mit den Russen entwickelte man seine Interessen zum Eismeer. Der Eismeerfang wurde ein bedeutender Erwerbszweig. Soweit man weiß, fuhr die erste Expedition aus Hammerfest 1795 ab. Nach 1820 wuchs der Eismeerfang schnell an, und 120 Jahre lang war Hammerfest eine bedeutende Eismeerstadt. Über 20 Schiffe betrieben diesen Fang bis 1940, und zu diesem Zeitpunkt waren es noch 2 Reedereien mit zusammen 10 Schiffen. Wenn die Schiffe zurückkamen, war da immer große Aktivität im Hafen, und ich selbst war dabei, weil mein Großvater Vormann in einer Reederei mit 7 Schiffen war. Er war Fassbinder, der das schwierige Handwerk erlernt hatte, Eichenfässer herzustellen.

Die Eismeerstadt führte dazu, dass man den Eisbären in das Stadtwappen aufnahm, welches die Stadt zum 150jährigen Stadtjubiläum am 17. Juli 1939 erhielt. Hammerfest war auch der Ausgangspunkt für viele Expeditionen und für Forschungsreisen in die Arktis. Hier kamen Menschen wie Roald Amundsen, Fridtjof Nansen, Sven Foyn und andere vorbei.

Der Export von Fisch und Eismeerprodukten in das zentrale Europa schuf nicht nur geschäftliche Verbindungen. Das Wissen über andere Kulturen und Lebensweisen hat große Bedeutung für unser Gebiet gehabt, und unsere Handelshäuser haben dazu viel beigetragen. Deutsche Interessenten waren unter den größten Abnehmern von Leder, Tran und lebenden Tieren für die zoologischen Gärten. Die Namen Hamburg, Lübeck, Mecklenburg wurden oft genannt. Hamburg und Mecklenburg hatten sogar eigene Vertretungen hier.

Das Interesse für den Norden zeigte sich auch auf andere Arten. Zum Beispiel besuchte ein deutsches Geschwader mit 11 Schiffen die Stadt während des 100-Jahre-Jubiläums 1889. Aber auch in neuerer Zeit stieg die Anzahl deutscher Kreuzfahrtschiffe stark an. Ich erinnere mich wie heute an alle Schiffe, die bis 1939 ankamen. Die Barkassen brachten tausende von Touristen an Land und oft ruderten wir Kinder um die Schiffe herum, und dann wurde Kleingeld und Bonbons zu uns heruntergeworfen. An Schiffe wie "Monte Rosa", "Monte Cervantes" und "Stuttgart" kann ich mich sehr gut erinnern.

Die Touristen gingen auch auf die andere Seite vom Zentrum, um die Meridiansäule zu besuchen. Diese wurde zur Erinnerung an eine Expedition errichtet, welche die genaue Größe der Erde auf dem Landweg vermessen hat. Die Vermessung dauerte von 1816 bis 1852 und war eine Zusammenarbeit unter den Kaisern Alexander I und Nicolaus I sowie König Oscar I. Die andere Meridiansäule steht in Ismail an der Donau in der Ukraine auf 45°20'29" in einem Abstand zu Hammerfest von 25°20' oder 2.871.790 Meter. Der Endpunkt ist auf 70°40'11,3" in Hammerfest.

Der größte Teil der Stadt Hammerfest brannte am 21. Juli 1890 ab, wobei 146 Häuser zerstört wurden. Interessant ist zu wissen, dass Hilfsaktionen sogar in Berlin arrangiert wurden. Adolf Guttstadt leitete die Spendensammlung, und die norwegische und schwedische Legation in Berlin wurden gebeten mitzuhelfen.

Im Zusammenhang mit der Geschichte von Hammerfest muss man auch das Elektrizitäts-Werk nennen. Auf der Weltausstellung in Paris 1880 kaufte man einen Gleichstromdynamo-Generator. Geliefert wurde er aus Hamburg von der Abteilung der Thompson-Houston International Company mit 2 Anlagen, die eine für 18 Bogenlampen und die andere für 300 Glühlampen in den Haushalten. Die Energie-Basis war ein Wasserfall, und deswegen war Hammerfest ein Pionier beim Ausbau von wasserbetriebenen Elektrizitätswerken in Europa. Am 5. Februar 1891 startete man das Ganze mit dem Dynamo von 1890 und 1100 Volt für die Straßenbeleuchtung. Nach dem Ausbau vom E-Werk im Jahre 1927 wurde dieser Dynamo in Ruhestand versetzt - blank geputzt und gut sichtbar. Die deutsche Wehrmacht transportierte den Dynamo im November 1944 weg, und niemand weiß bis heute, wo er abgeblieben ist.

Bis 1940 wuchs Hammerfest zu einem bedeutenden Handelszentrum mit wichtigen Banken und Verkehrsverbindungen. Ein modernes großes Krankenhaus für ein Gebiet größer als halb Dänemark wurde gebaut mit einer psychiatrischen Abteilung und anderen wichtigen Einrichtungen.

Das 150jährige Stadtjubiläum wurde am 17. Juli 1939 gefeiert, und da war die Einwohnerzahl inzwischen auf 3.700 gestiegen. Aber Optimismus und Erwartung wurden bald von Unsicherheit und Angst abgelöst wegen den Kriegszeichen in Europa. Die 3 Zeitungen in Hammerfest hatten alle eine klare und eindeutige Haltung gegen das Hitler-Deutschland. Die Sympathie lag auf der Seite von Finnland, weil der Winterkrieg gegen die Sowjet-Union am 30. November 1939 ausgebrochen war. Unsere jungen Männer wurden auf "Neutralitätswache" an die Grenze bei der Hafenstadt Petsamo (gehörte damals zu Finnland) geschickt, und mein Vater war dabei im Alta Bataillon.

Nach Hammerfest und anderen Orten kamen immer mehr finnische Flüchtlinge, und wir hatten den Krieg nahe am Leibe. Viele hatten Angst, dass die Russen auch nach Norwegen kämen, aber so ist es nicht geschehen.

April 1940 bis Oktober 1944: Krieg und Besetzung

Der Schock kam am frühen Morgen am 9. April 1940. Unter dem Decknamen "Weserübung" hatte Deutschland das neutrale Norwegen angegriffen, und die Übermacht war groß. Es wurde mobilisiert, und das Alta-Bataillon wurde an die Narvikfront gegen General Dietl geschickt. Wir gingen zur Schule und wurden wieder nach Hause geschickt, denn die Unsicherheit und Nervosität waren groß. Im Radio hörten wir, dass die Städte Elverum, Andalsnes, Kristiansund, Molde, Steinkjær, Namsos, Bodø und Narvik bombardiert wurden.

Das Unwirkliche war nun auch Wirklichkeit im kleinen Norwegen. Wann kamen wir an die Reihe? Was sollten wir tun? Große Schneemengen sperrten wie üblich im April noch alle Wege. Das Meer war unsicher und die Bootkapazität begrenzt. Die erste große Aktion bestand darin, den Weg von Hammerfest nach Repparfjord freizuschaufeln. Am 23.April waren es etwa 250 Männer und Frauen, welche die 3 Meter hohen Schneemassen beiseite schaufelten.

Aus Angst vor Luftangriffen wurden im April und Mai über 1.000 Frauen und Kinder in die Umgebung evakuiert. In Hammerfest selbst wurden Zufluchtsräume eingerichtet. In den ersten Juni-Tagen besuchte der englische Kreuzer "Devonshire" die Stadt Hammerfest, kurz bevor er den König Haakon und die norwegische Regierung nach England brachte.

Die Kapitulation kam am 10. Juni 1940 und bewahrte Hammerfest deswegen vor Luftangriffen. Einige Leute fielen jedoch bei den Kämpfen bei Narvik oder kamen um auf Booten, die von Flugzeugen versenkt wurden. Am 27. Juni 1940 kamen die ersten deutschen Soldaten in die Stadt. In den ersten Plakaten wurde vor unhöflichem Auftreten gegenüber den Okkupanten gewarnt. Strenge Strafen gegen antideutsche Demonstrationen wurden angedroht und davor gewarnt, an den Kai zu gehen, wenn Schiffe ankamen.

Im Rahmen des Plans, Norwegen zu einer Festung Norwegen auszubauen, wurden in Hammerfest sowie entlang der Küste Bunker und Befestigungsanlagen errichtet. Gebiete wurden zu Sperrzonen erklärt und von Stacheldraht umgeben. In der Nähe der Stadt lagen 4.000 Minen. Und 40% des Wohn- und Lagerraumes wurde von deutschen Offizieren, Soldaten und Zivilen beschlagnahmt.

Im Oktober 1940 wurde bekannt, dass die Deutschen Hammerfest als zentralen Fischereihafen gebrauchen wollten. Hammerfest sollte Lebensmittelproduzent für das großdeutsche Reich werden. Eine Fischfabrik (Vertilo - Vereinigte Tiefkühlgesellschaften Lohmann & Co. K.G.) wurde gebaut, und etwa 300 bis 400 ukrainische Frauen wurden dort zur Zwangsarbeit gezwungen. Die ersten kamen im Juni 1942 mit dem Truppentransporter "Levante", die jüngste war 13 Jahre alt und die älteste 64 Jahre. Eine von diesen Frauen lebt noch in Hammerfest. Auch Norweger wurden zur Arbeit abkommandiert, und Verweigerung führte zu Gefängnisstrafen.

Hammerfest hatte auch eine militärische Funktion. Es wurde als U-Boot Stützpunkt ausgebaut und war Versorgungsbasis für die deutschen Divisionen in Nord-Finnland und Nord-Russland. Auf See wurden nicht nur deutsche und englische Schiffe versenkt, auch die norwegischen Küstenschiffe waren betroffen. Fast alle unsere lokalen Schiffe wurden entweder durch Bomben oder Torpedos versenkt, und viele Norweger verloren das Leben. Weil der Seeweg so gefährlich war, wurde die Straße zwischen Hammerfest und Alta ausgebaut, eine Strecke von 150 Kilometern. Einige tausend russische, jugoslawische und andere Kriegsgefangene sowie Wehrmachts-Strafgefangene wurden zum Straßenbau auf dem Gebirgsübergang Sennaland gezwungen. In der Stadt war ein großes Lager für russische Gefangene und außerhalb mehrere andere Lager.

Es ist richtig zu sagen, dass die Deutschen es ruhig und friedlich in Hammerfest hatten, und dass die Beziehung zu normalen Soldaten und Marineleuten gut und korrekt war. Den meisten Norwegern gefiel das nicht, denn die Deutschen waren ja Okkupanten und hatten unser Land besetzt. Am 16. August 1940 wurde eine deutsche Orts-Kommandantur errichtet, die Hakenkreuzfahne gehisst, und die norwegischen Fahnen verboten. Die Gestapo etablierte sich auf dem Dampfschiffkai mit guter Aussicht über das Geschehen in Hafen und Stadt. Die Sicherheitspolizei kam im Herbst 1940 und ebenso die Dienststelle Hammerfest-Abteilung vom Reichskommissariat Norwegen. Eine Abteilung der Abwehr kam im Frühjahr 1942 auch noch hinzu.

Es kamen neue Zeiten auf uns zu. Die Demokratie wurde abgeschafft, und am 25. September 1940 löste Terboven alle Parteien außer der Quisling-Partei Nasjonal Samling auf. Diese Partei hatte 1936 nur 27 Stimmen in Hammerfest erhalten und war nicht in der Stadtverwaltung repräsentiert. Der gewählte Bürgermeister wurde am 3. März 1941 abgesetzt, später verhaftet und in das Konzentrationslager Grini bei Oslo gebracht. Ein Anhänger von Quisling wurde am gleichen Tage als neuer Bürgermeister eingesetzt. Die Verhältnisse wurden gespannt und neue Ordnungen durchgeführt. Zwei von den drei Zeitungen wurden verboten, die dritte umgetauft und ein Nazi-Redakteur eingesetzt. Die Meinungs- und Pressefreiheit hörte auf, und es wurde gefährlich, sich zu äußern. Selbst ich musste als Knabe 2 mal zur Sicherheitspolizei zum Verhör.

Am 12. September 1941 wurden alle Radios in Hammerfest beschlagnahmt und in einem Packhaus gesammelt. Das "Busch-Telefon" entwickelte sich nach und nach, und Meldungen gingen wie Feuer im trockenen Gras, wenn wir am Morgen hörten, dass die "SIPO" so und so viele in der letzten Nacht verhaftet hatte. Wir hörten auch, dass man Folter-Tortur benutzte. Auch Lehrer wurden verhaftet. Im April 1942 sahen wir das Boot "Skjærstad" mit 650 verhafteten Lehrern an Bord zur Zwangsarbeit nach Kirkenes. Die Nachrichten-Sperre war nicht so effektiv, dass wir nicht zu wissen bekamen, was da los war.

Der Schul-Unterricht wurde immer schlechter. Zwei Volksschulen wurden im September 1941 requiriert, und die Mittelschule im März 1942. Man versuchte, in einer Wohnung im Gerichtsgebäude in drei Zimmern und einem Zimmer in der Post den Unterricht weiterzumachen. Ebenso benutzte man die Sakristei in der Kirche bis zur Zerstörung im Herbst 1944. Es waren nicht die besten Unterrichts-Bedingungen, wenn man bedenkt, dass es 500 Volksschüler sowie 130 Mittelschüler mit 26 Klassen und 24 Lehrern in Hammerfest zu dieser Zeit gab. Wenn man an alle Fliegeralarme denkt und geschlossene Schulen, weil Holz und Kohle fehlten, hatten wir in diesen Jahren recht wenig Schule. Die totale Zerstörung kurz vor Kriegsende machte das Ganze nicht besser.

Unsere Küsten-Linien-Schiffe, die Hurtigruten, erlitten während des Krieges große Verluste, da alle Verbindungen und Versorgungen auf dem Seeweg vorgenommen wurden. Im Laufe eines Monats im Herbst 1941 wurden die Hurtigruteschiffe "Richard With" und "Vesterålen" außerhalb von Hammerfest torpediert, und 97 sowie 39 Menschen kamen dabei um. Kurz danach im Januar 1942 wurden die Lokalschiffe "Sørøy" und "Ingøy" torpediert, und 18 Menschen sind dabei umgekommen. In Hammerfest hatte man ja Krankenhaus und war außerdem das Zentrum der Region, und deswegen erlebten wir viele Tote und Verwundete. Zwei deutsche Truppentransportschiffe ("Donau " und "Bahia Laura") wurden auch torpediert, und 374 Deutsche und Österreicher sind dabei umgekommen und viele weitere verwundet worden. Auf unserem Friedhof wurden 54 von ihnen begraben, und ich kann mich noch gut daran erinnern.

Ab Januar 1942 war die Hurtigruten-Küstenfahrt so gut wie vorbei und die Lieferungen an die Bevölkerung entsprechend schlecht. Ersatzfahrten nach Tromsø und Kirkenes wurden gemacht mit Eismeerschiffen und Frachtschiffen, und viele erlitten ein grausames Schicksal. Einige Luftangriffe hatten wir auch mit dem schlimmsten am 14. Februar 1944. Zusammen mit anderen Jungen war ich in der Hauptstraße, als die Bomben fielen und 2 Lokalschiffe versenkten. Die lagen übrigens nur einige Meter von der Stelle, wo Fritz Fadranski mit dem Hafen-Wachtboot lag. Ein einziges Lokalschiff war nun noch von der ganzen Flotte übrig.

Die militärische Aktivität wurde 1944 immer stärker, und in der Ost-Finnmark wurde besonders Kirkenes stark gebombt. Bei uns wurde eine Tankanlage am 29. August 1944 in Brand geschossen und U-Boote im Hafen von Flugzeugen angegriffen. Es sollte schlimmer kommen.

Oktober 1944 bis Mai 1945: Vertreibung und Zerstörung

Der finnische Hafen Petsamo fiel am 20. Oktober 1944 und Kirkenes am 25. Oktober 1944 in russische Hand. Die starke gegnerische militärische Aktivität bewirkte, dass deutsche militärische und zivile Leiter sowie Repräsentanten der Nasjonal-Samling-Partei sich in Indre Billefjord trafen, um eine "freiwillige Evakuierung" der Finnmark zu organisieren. Das Resultat kam auf Plakaten am 17. Oktober 1944, unterzeichnet von dem neuen Befehlshaber von Finnmark und Nord-Troms, Jonas Lie, mit dem Abschluss: "Nun ist es bitterer Ernst". Der Aufruf wurde ein Fiasko. Es ging gegen Winter, und die Dunkelheit war eingetroffen. Höchstens 2.000 Menschen in der Ost-Finnmark konnten mit Gewalt evakuiert werden, und man wollte nicht das gleiche in der West-Finnmark erleben. Generaloberst Jodl gab Befehl, die "Flüsterpropaganda" und Gerüchte zu benutzen, damit die Leute freiwillig evakuieren sollten.

Aber nein, das Volk wollte nicht. Viele flüchteten in die Berge, in Höhlen und auf Inseln. Die Familien der Nasjonal-Samling-Partei hatten Spezialtransport bekommen am 9. Oktober 1944, und in der gleichen Nacht verhaftete die SIPO viele Norweger, darunter einen Onkel von mir. Durch den Rückzug von der Nordfront waren viele deutsche Soldaten in Hammerfest, und unsere Freiheit war deshalb sehr beschränkt. So kam der Schock. Vollständige Zwangsevakuierung wurde durch den Führerbefehl am 28. Oktober 1944 verkündet. Die Taktik der verbrannten Erde sollte durchgeführt werden und: "Mitleid mit der Zivilbevölkerung ist nicht am Platze", hieß es.

Sonntag Nachmittag am 29. Oktober 1944 kam ein Aufruf: "An die Bevölkerung", und als erster war mein Stadtteil dran. Die Frist, die wir hatten, war 20 Stunden, und am 30. Oktober 1944 um 12.00 Uhr musste alles verlassen sein. Die ganze Stadt sollte im Laufe von 4 Tagen geleert sein - und wurde es. Wir durften nur mitnehmen, was wir tragen konnten. In der Dunkelheit gruben wir Wertsachen in den Garten in der Hoffnung, das wieder zu finden, wenn es Schluss war. Aber alles war fort, als wir 1946 zurück kamen. Zusammengestaut in kleinen Fischerbooten reisten wir einem unbekannten Schicksal entgegen mit vielen tragischen Erlebnissen. Von Montag, dem 30.10.1944 - 12.00 Uhr bis 3.11.1944 -.12.00 Uhr hatte man die Stadt geleert. Koste es was es wolle. Später haben wir erfahren, dass man mit 40% Verlust an Menschenleben gerechnet hatte.

Nur die russischen Kriegsgefangenen und etwa 20 Norweger blieben noch etwa 3 Monate mit den deutschen Soldaten in der Stadt zurück. In diesen 3 Monaten kamen immer wieder Boote nach Hammerfest mit aufgegriffenen Norwegern, die sich in Höhlen und auf den Inseln vor der Evakuierung versteckt hatten. Diese Leute wurden weiter in den Süden verfrachtet.

Die Insel "Sørøya" außerhalb von Hammerfest hat ihre eigene Geschichte, denn viele waren dorthin geflüchtet. Zusammen waren etwa 1.000 Menschen auf der Insel. Davon konnten etwa 500 nach Osten in die von den Russen befreiten Gebiete Nord-Norwegens flüchten, und 500 verbrachten den harten Polarwinter auf der Insel in Höhlen und Hütten unter dramatischen Bedingungen. Ende Januar gelangten 3 Boote mit Versorgungsgütern zur Insel und konnten mit 200 Evakuierten nach Båtsfjord in das russisch kontrollierte Gebiet entkommen. Weitere 502 Flüchtlinge wurden Mitte Februar von 4 englischen Zerstörern an Bord genommen und via Murmansk nach Glasgow in Schottland gebracht.

Ich wurde mit dem Rest meiner Familie mit dem Fischerboot "Kvernsund" aus Hammerfest evakuiert. Meine Mutter musste zurückbleiben, um sich um ihre Eltern zu kümmern, und deswegen verloren wir den Kontakt mit ihr bis zum März 1945. Mein Vater war im Herbst 1940 via Spitzbergen und Island nach England geflüchtet. Im Juli 1945 trafen wir ihn erst wieder. Als wir Hammerfest verließen, sahen wir, dass schon Häuser und Hütten an der Außenseite der Stadt angezündet waren. Unser erster Halt war an der Insel Sørøy, wo wir zum Schluss 7 Fischerboote waren, alle mit Menschen überfüllt. Die Gefahr für Angriffe von Torpedos oder Flugzeugen war groß, und ebenso die Minen-Gefahr.

Alle Boote organisierten Wache, um Ausschau nach Minen, U-Booten und Flugzeugen zu halten. Auf unserem Evakuierungs-Boot waren wir 60 Menschen, darunter 2 schwangere Frauen. Der jüngste war 8 Monate alt, und der älteste 69 Jahre. So wurden fast 50.000 Menschen aus Nord-Norwegen deportiert und auf Gebiete weiter südlich in Norwegen verteilt. Viele starben durch die Anstrengungen und durch Krankheit, aber das gute Wetter, das wir hatten, hat uns gerettet.

Maschinen, Wertsachen und Ausrüstungsteile wurden auf Transportschiffe geladen und nach Deutschland verschifft, darunter auch unsere berühmte Dynamo-Lichtmaschine aus dem Jahre 1891, die spurlos verschwand. In Hammerfest waren zerstört: 977 Wohnungen, 3 Kirchen, das Krankenhaus, Schulen und so weiter in einem Wert von 60 Millionen Kronen (Wert von 1940).

Der Befehl von Hitler war vollbracht. Ausländische Presseleute, die Hammerfest 1945 besuchten, gaben der Ruinenstadt den Namen: "Norwegens Hiroshima". Nur die Grabkapelle stand noch da, der gesamte Rest der Stadt bestand nur noch aus Ruinen. Im gesamten Bezirk Finnmark wurden über 16.000 Gebäude zerstört und ebenso 22.000 Telefonmasten. So hörte das Abenteuer auf!

Mai 1945 bis heute: Wiederaufbau und Ausblick

Der Wieder-Aufbau dauerte bis zur Mitte der 1960er Jahre und war ein imponierender Einsatz vom gesamten norwegischen Volk. Heute bin ich froh, dass ich diese Gemeinschaft erleben durfte.

Aber es sind ja nicht nur wir in Norwegen, die gelitten haben. Ich weiß, dass auch das deutsche Volk unendlich viel gelitten hat, und deswegen dürfen wir nicht unsere Geschichte vergessen. Zusammen in einer Verbrüderung müssen wir auf Wache sein gegen Ströme, die noch nicht gelernt haben.

Der Hass und die kühle Haltung gegenüber Deutschen kurz nach dem Krieg ist nicht mehr, denn alle sehen ein, dass man keine Zukunft auf Hass basieren kann. Nazismus und Kommunismus haben wir genug gehabt. Im Namen der Demokratie müssen wir unsere eigene und Europas Zukunft sichern.

Abgesehen von einem kurzen Besuch in Lübeck 1975 ist dies mein erster Deutschland-Besuch (1997), auf den ich mich schon lange gefreut habe.

Danke, dass ich Sie treffen durfte, und ich wünsche weiterhin viel Glück in der gemeinsamen Arbeit, eine gute Zukunft und ein gutes Verhältnis zwischen unseren Ländern zu schaffen. Danke für die Aufmerksamkeit.

Vortrag von Arnulf Olsen, Hammerfest (Übersetzung aus dem Norwegischen: Hans Sahlberg, Hammerfest)

gehalten am 2.9.1997 in der Universität Essen sowie am 11.9.1997 in Berlin

Arnulf Olsen: Kurz-Biographie

Arnulf Olsen wurde 1928 in Hammerfest geboren und kann sich noch intensiv an die Jahre der Besatzungszeit durch die deutsche Wehrmacht erinnern. Ende 1944 wurde die Familie Olsen nach Harstad vertrieben, während ihr Haus und fast alle Güter zusammen mit der gesamten Stadt durch die deutsche Wehrmacht verbrannt und zerstört wurde. Die Familie kam nach dem Krieg in das Ruinenfeld von Hammerfest zurück und begann den Wiederaufbau. Viele Jahre lang war Arnulf Olsen Bürgermeister von Hammerfest, Regierungspräsident der Provinz Finnmark und Vorstandsvorsitzender der Elektrizitätswerke von Hammerfest. Er ist langjähriger Vorsitzender des Hammerfest Historielag (Geschichtsverein) und Autor von diversen Publikationen über historische Themen.

 

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