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Arbeitsgruppe Erinnern wider das Vergessen:

Hafenschutzgruppe Hammerfest:

Im Schneesturm in eine unbekannte Bucht an der Finnmark-Küste

Eine Sturmfahrt im Spätherbst 1944 mit dem Hafenschutzboot NH-23 von Hammerfest nach Honningsvåg

von Fritz Fadranski, Düren

Im Spätherbst 1944 bekamen wir den Auftrag, mit unserem Hafenschutzboot NH-23 für ein vor Honningsvåg Position fahrendes Schwesterboot Dieselbrennstoff zu bringen, das waren 2 Fässer à 200 Liter. In diesen Tagen tobte an der Finnmarkküste ein schwerer Herbststurm, und der Sturm stand genau auf die Hafenausfahrt von Hammerfest. Unser kleines Schiff mit dem Ein-Zylinder-Motor schaffte es nicht mit äußerster Kraft, die Hafenbucht zu verlassen, auch nicht nach mehrmaligen Versuchen. Plötzlich gab der Motor den Geist auf, das war ihm doch etwas zu viel, was wir ihm zugemutet hatten, und wir trieben in den Hafen zurück. Zum Glück hielt der Anker, sonst wären wir auf der Halbinsel Fuglenes gestrandet. Doch mit gutem Zureden lief der Motor bald wieder, und nach einer halben Stunde wagten wir einen neuen Versuch.

Endlich waren wir draußen auf See in Richtung der großen Insel Sørøya, und dort war es ruhiger, denn die Küste lag im Windschatten. Wir machten an einem kleinen Pier auf der Insel fest. Da war ein Bauernhof, das Haus war verlassen, und wir sahen keinen Menschen. Vielleicht waren die schon von der Wehrmacht evakuiert worden? Es liefen noch Schafe herum, und wir haben 2 geschossen. So hatten wir wieder mal frisches Fleisch zu essen, das war eine willkommene Abwechslung im Konserven-Alltag. Bezahlen konnten wir die Schafe nicht, denn es war ja keiner da.

Pflichtbewusst haben wir unsere Fahrt bei dem Sturm und dichtem Schneetreiben nach Honningsvåg fortgesetzt, bei 5 bis 6 Meter hohen Wellen. Wir konnten das Boot nur gegen den Wind halten und hatten bald die Orientierung verloren, nur noch Wellenberge und Wellentäler und keine Sicht. Ein Diesel-Fass unserer Fracht hatte sich losgerissen und war nach mehrfachem hin-und-her durch die Reling in der See verschwunden.

Plötzlich, wir konnten nicht verstehen warum, wurde es ganz ruhig, kein Seegang mehr, und der Schnee fiel wie Daunenfedern leise, aber sehr dicht. Die Sicht war keine 5 Meter, wir stellten einen Ausguck-Posten auf die Back (Vorschiff) und fuhren langsam weiter. Es war um und über uns alles weiß und still, als plötzlich der Ausguck schrie: "Land, Land!" Ich war auf der Brücke, drehte die Umsteuerung auf "zurück" und den Gashebel auf "volle Kraft". So konnte ich verhindern, dass wir auf den flachen Strand aufliefen. Es war der letzte Moment, und uns war der Schock in die Glieder gefahren. Wir ließen den Anker fallen und wussten überhaupt nicht, wo wir waren. Es war eine Bucht im Windschatten, und der Schnee reichte bis ans Wasser.

Als es etwas aufklarte, sahen wir 2 oder 3 Häuser, wo Licht brannte. Wir setzten das Schlauchboot aus und ruderten dorthin. Die Leute waren verängstigt, als sie uns als Deutsche erkannten, aber wir haben ihnen erklärt, dass wir nicht in böser Absicht kommen, und sie haben uns ins Haus gebeten. Das war für uns eine Erholung nach der Sturmfahrt. Fast 3 Tage haben wir uns in der Bucht aufgehalten und das Funkgerät abgestellt. Ich muss immer wieder das Verhalten uns gegenüber und die Gastfreundschaft der Norweger loben, die auch in einer schwierigen Lage eine Selbstverständlichkeit war. Es wurden nun Tauschgeschäfte gemacht, zum Beispiel Tabak und Alkohol, aber auch Tassen und Teller aus Porzellan von unserem Backsgeschirr, wurden gegen Fisch und Dosenmilch getauscht. Als wir später nach Hammerfest zurück kamen, habe ich eine Verlustanforderungsliste aufgestellt und habe die Geschirr-Teile als Seeschaden deklariert und neu empfangen. Übrigens, die norwegische Dosenmilch war besser geeignet für Schlagsahne.

Wir hatten unser Funkgerät auf Empfang gestellt, und der Funker sagte: "Du, die suchen uns." Wir entschlossen uns zur Weiterfahrt nach Honningsvåg. Wir hatten ja einen Auftrag, obwohl wir keine große Lust mehr hatten. Der Signalstelle hatten wir Maschinenschaden gemeldet und versuchten nun, die Maschine (Einzylinder-Glühkopf-Motor) in Küstennähe kaputt zu kriegen. Ich war selbst auf der Brücke und stellte die Umsteuerung auf fast waagerecht und den Gashebel auf Vollgas. Der Kolben ging schwer, aus dem Auspuff kamen schwarze Wolken, der Glühkopf war rotglühend, so dass wir jeden Moment dachten, er explodiert. Aber es geschah nichts, dieser robuste Motor war nicht kaputt zu kriegen. Also erfüllten wir unseren Auftrag.

Das Boot in Honningsvåg hatte schon 2 Tage keinen Diesel mehr und wäre vielleicht nicht wieder nach Hammerfest zurück gekommen. So konnten wir wenigstens mit dem einen Fass aushelfen, und das Boot konnte zurück fahren, denn der Rückzug war im vollen Gange, und in Honningsvåg hatte man mit der totalen Zerstörung begonnen. Leider kann ich kein Datum sagen, ich weiß es nicht, aber man kann es bestimmt in der Historie nachlesen.

Die Rückfahrt war bedeutend ruhiger. Wir kamen wieder nach Hammerfest, aber es war nicht mehr unser Hammerfest, was wir vorfanden. Die Menschen mussten die Stadt verlassen, auch wir wurden nach Harstad verlegt und mussten erfahren, dass alles zerstört und verbrannt wurde. Wir waren traurig und machtlos gegen die Zerstörungswut der Deutschen Wehrmacht.

Text von Fritz Fadranski, Düren, im Juni 2003

 

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