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(Ein Artikel aus "Trollposten" Nr. 1 - 2001)
"Ein Kinderheim zur Züchtung einer arischen Rasse". Unter diesem Thema schrieb die englische Zeitschrift "Newsweek" einen Aufsatz: "Hitlers Kinder". Blond und blauäugig, so sollte die arische Rasse sein, das wollten die Führer des dritten Reiches. Während seines 12-jährigen Bestehens wurden rund 10.000 Kinder allein in Lebensborn-Heimen in Deutschland geboren. Der erste Lebensborn wurde 1936 in der Nähe von München eröffnet. Auch in den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten wie Frankreich, Belgien, Niederlande und Luxemburg wurden solche Erziehungsanstalten eingeführt.
Nachdem im April 1940 Norwegen von deutschen Truppen besetzt wurde, war es im Sinne der neuen Machthaber, dass Kontakte zwischen deutschen Wehrmachtsangehörigen und norwegischen Mädchen und Frauen gefördert wurde. War doch Norwegen das germanische Brudervolk im Norden. Vom Überfall 1940 bis zur Kapitulation 5 Jahre später schätzt man, dass 9.000 Kinder geboren wurden und 3.000 weitere in den ersten Monaten nach der Kapitulation. Der Hass und die Verachtung, mit der die norwegischen Landsleute den "Deutschenliebchen" und "Feldmatratzen" begegneten, traf erbarmungslos auch ihre Kinder.
Die Besatzungsmacht hatte deshalb gegen die Beziehungen ihrer Soldaten zu Norwegerinnen nichts einzuwenden gehabt, weil es ja "rassereine" Kinder waren und somit "gutes Blut". Die SS-Organisation Lebensborn, von Himmler zur "Aufzucht arischen Nachwuchses" gegründet, sollte sich um sie kümmern. Doch nach Kriegsende waren die Kinder eine Angelegenheit des norwegischen Staates. Unerwünscht waren sie, und doch war man verantwortlich für sie. So ließ Oslo jene, die zu Großeltern oder Verwandten nach Deutschland gekommen waren, zwangsweise heimschaffen. Diese Kinder brachte man zu Pflegeeltern oder in Heimen unter, oder gab sie zur Adoption in Schweden frei.
Noch Jahre nach Kriegsende wurden Kinder nach Norwegen zurückgeholt, die kein Wort norwegisch sprachen oder verstanden. Die Kleinen waren den Behörden so unheimlich, dass man ernsthaft daran dachte sie zu deportieren.. Die Angst vor einer kommenden Bedrohung durch die deutschen Gene war groß genug für desperate Aktionen. Als Australien Arbeitskräfte suchte, bot Oslo an, so viele der Kriegskinder wie möglich ans andere Ende der Welt zu schicken. Australien lehnte dieses Angebot aber ab.
Statt dessen gab es Übergriffe im eigenen Land; gesunde Kinder wurden von den Behörden als geistesschwach abgestempelt, mit minderwertigen, germanischen Erbanlagen in Behindertenheime gesteckt und am normalen Schulbesuch gehindert. Die offizielle Einschätzung war, dass 85% bis 90% der Kriegskinder Idioten seien.
Zum Beispiel wurde ein vierjähriger Junge 1946, mit 20 anderen Deutschenjungen, in ein Heim für geistesschwache Kinder gesteckt, und unter elenden Verhältnissen, schmutzig ohne ordentliches Essen gehalten. Norwegische Zeitungen berichteten als das Heim geöffnet wurde: "Es sei wie in einem KZ gewesen". Der damals Vierjährige kam erst als 23 jähriger aus der Obhut des Staates frei. Heute meint der Mann: "Ich war unschuldig gefangen", und trotz durchschnittlicher Intelligenz ist er auch heute noch kaum des Lesens und Schreibens mächtig.
Spät erst reagierte Norwegen auf das begangene Unrecht. Die Kinder von damals wurden groß und wollten ihre Wunden verheilen lassen. Die Mütter wollten am liebsten die Besatzungszeit vergessen. Erst in den 1990er Jahren machte das Schicksal der Kriegskinder in den norwegischen Zeitungen Schlagzeilen. Eine sozialdemokratische Parlamentspräsidentin nannte die Behandlung der Kinder "eine Schande". Der vormalige norwegische Ministerpräsident Kjell Magne Bondevik bat in der Neujahrsansprache 2000 um Vergebung: "Wir können die Jahrhundertwende nicht verstreichen lassen, ohne das Unrecht aufzugreifen, das viele Kriegskinder in der Nachkriegszeit erlitten haben. Im Namen des norwegischen Staates möchte ich die Diskriminierung und Ungerechtigkeit beklagen, denen sie ausgesetzt waren."
Diese schönen Worte blieben aber ohne Folgen. Schon wenige Wochen nach dieser Rede hatte Bondeviks Regierung eine Schadenersatzklage abgewiesen, die sieben der Kriegskinder gegen den Staat angestrengt hatten. Für ihre verlorene Kindheit und ihr ruiniertes Leben hatten sie Wiedergutmachung gefordert, begrenzt auf rund eine halbe Million Mark für jeden von ihnen. Ungefähr 90 weitere Fälle hat eine Anwältin in Vorbereitung und hat ein Interesse an einem Prozess angemeldet. Jedoch das norwegisch Sozialministerium weist jede Forderung ab, zu viel Zeit sei vergangen, und zu unklar ihr Leiden dokumentiert. Statt eine Entschädigung zu fordern, sollten die Kläger um ein Schmerzensgeld bitten. So verlautet es aus dem norwegischen Sozialministerium. Dieses wäre jedoch ein Gnadenakt und kein Rechtsanspruch, der außerdem nur auf ca. 25.000,- Euro begrenzt wäre. Deshalb sollen die Gerichte die Fälle aufrollen.
Eine Klägerin fragt, ob ihr verpfuschtes Leben nicht Beweis und Dokumentation genug sei, sie hatte einige glückliche Jahre bei ihren Großeltern in Berlin verlebt, ehe man sie 1947 zurück zur Mutter gezwungen hatte. Diese hatte inzwischen einen anderen Mann geheiratet und beschimpfte ihre eigene Tochter als "Deutschenschwein." Als ihr Stiefvater sie zu vergewaltigen versuchte, riss das 15- jährige Mädchen aus. Das Minderwertigkeitsgefühl, die Angst, dass ihre Herkunft entdeckt würde, prägten sie. Psychische und physische Plagen zwangen dann die 40-jährige in die Frührente. Ihre Erkenntnis: "Mit uns will immer noch keiner etwas zu tun haben."
Die norwegische Kriegskindervereinigung (NKBF - Norges Krigsbarnforbund) gibt unter dem Namen "Røtter" (Wurzeln) eine mehrmals im Jahr erscheinende Broschüre heraus. In dieser schreiben sie über ihre Erlebnisse, Erkenntnisse und ihre Regionalgruppen.
Liebe Leser, viele dieser norwegischen Kriegskinder suchen heute noch nach ihren Wurzeln in Deutschland, sprich Vater oder deren Familien. Wer hier helfen kann, kann sich an folgende Adressen wenden.
Norges Krigsbarnforbund, Carl Qtto Ingebretsen, Postboks 212, Ulvøya, 0139 Oslo, Tel: 22298134, E-Mail: nkbf@nkbf.no, Internet: http://www.nkbf.no
in Deutschland: Ragnhild Führer, Brandaustr. 13, 12277 Berlin, Tel: 030-7412535
oder an die Trollposten-Redaktion: Dieter Pilz, Clemens-Brentano-Str. 12, 35043 Marburg, E-Mail: dieter.pilz@gmx.de
Dieser Artikel erschien in der "Trollposten" Nr.1 - 2001. Er ist eine Zusammenfassung aus Informationen in der Zeitschrift der norwegische Kriegskindervereinigung (NKBF - Norges Krigsbarnforbund), die unter dem Namen "Røtter" (Wurzeln) erscheint.
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